Neunte Predigt: Die Marianische Kongregation - Hochschule der christlichen Freiheit

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A-Eigenhändig, Diktat

1912, Herbst

Laß Dein Herz stark sein und stehe fest im Herrn (Ps 26,14).

Eine hohe, erhabene Feier hat Euch heute hier so zahlreich versammelt: Ihr wollt Euch scharen unter das Lilienbanner Mariens, eingereiht wollt Ihr werden in die auserlesene Zahl ihrer Lieblingskinder: Ihr verlangt Aufnahme in die Marianische Kongregation.

Das ist dieselbe Kongregation, die Tausenden, ja Millionen - und zwar den Edelsten Eures Geschlechts - zu einer wahren Hochschule christlicher Freiheit geworden ist. Hier haben sie gelernt, das blühende Paradies ihrer Jugendzeit zu erhalten, hier wurden sie erfolgreich angeleitet, sich selbst zu erziehen zu ganzen Menschen, zu emporstrebenden Seelen, zu festen Charakteren; hier wurden sie Frauenideale mit goldenen Herzen und starken Grundsätzen Das ist Euch allen bekannt. Das ist aber auch das Ideal, wofür Ihr Euch mit der ganzen Kraft und Begeisterung der Jugend erwärmt; darum seid Ihr erschienen, darum wollt Ihr aufgenommen werden in die Kongregation.

Sind diese Erwartungen nicht zu hoch geschraubt? Ist die Kongregation wirklich noch fähig, dieses gotteswürdige Ideal zu verwirklichen?

Keine Freiheit ohne Kampf; keine christliche, keine Geistesfreiheit ohne Kampf gegen die feindlichen Einflüsse unserer inneren und der äußeren Welt. Kein siegreicher Kampf ohne Kraft; kein geistiger, kein geistlich-siegreicher Kampf ohne die reichliche Hilfskraft der Gnade, ohne ausdauernde Anspannung der eigenen Kraft.

Will also die Kongregation unsere Erwartungen nicht täuschen, so muß sie

1. Euch reichliche Hilfskräfte der Gnade vermitteln; so muß sie

2. Eure eigenen Kräfte zu ausdauernder Anspannung anregen.

Und wahrlich, diese beiden Lebensbedingungen der heiligen Freiheit stellt die Kongregation uns auch heute noch in reichlichem Maße zur Verfügung. Aus innerster Überzeugung rufe ich Euch darum zu: Nein, Eure Erwartungen werden nicht getäuscht.

  1.  

Die Kongregation vermittelt Euch zahlreiche Hilfskräfte der Gnaden. Die Richtigkeit dieser meiner ersten Behauptung dürfte dann außer allem Zweifel sein, wenn feststeht, daß die Kongregation Euch eine Schutzherrin gibt, die

1. ein tiefes Verständnis für unsere geistliche Bedürftigkeit,

2. ausreichende Macht und

3. aufrichtigen Willen hat, dieser Not durch Gnadengaben abzuhelfen.

Unsere Schutzherrin ist Maria. Wie soll ich diese drei Eigenschaften in Maria beweisen? Nur ein Wort brauche ich auszusprechen und der Beweis ist geliefert, nur ein Wort zu nennen, ein Wort, das diese Eigenschaften wie eine goldene Schale in sich begreift. Und dieses Wort lautet: Mutter. Unsere Schutzherrin ist zugleich unsere Mutter.

Siehe da deine Mutter! (Joh 19,26). So rief der sterbende Gottessohn uns vom Kreuze zu. Siehe da deine Mutter! Das ist ein Wort voll schöpferischer Kraft. Das erste allmächtige »Fiat = Es werde«, bewirkte, was es aussagte; die ganze Welt mit ihrer Pracht und Herrlichkeit ging aus dem Nichts hervor.

 

Siehe da deine Mutter! So schuf dieses zweite göttliche Wort uns die herrliche Wunderwelt einer himmlischen Mutter.1

Siehe da deine Mutter! Seit jenem weltbewegenden Augenblicke hat sich in Mariens Herz ein ganzes Meer von Mütterlichkeit niedergesenkt; mit den Mutterpflichten hat sie zugleich die Zartheit, Tiefe und Kraft der Mutterliebe und die Rechte der mütterlichen Gewalt über uns erhalten, Maria ist nun meine, Maria ist Deine, Maria ist unser alle Mutter. Mit Euerem Eintritte in ihre Kongregation will sie für Euch ganz, nur Mutter sein. Was unsere leibliche Mutter für das natürliche Leben, das ist Maria für Euer übernatürliches Leben, für das Leben des Kindes Gottes in Euch.

Kannst Du die ganze Tiefe, die unermüdliche Sorge und stete Hilfsbereitschaft Deiner leiblichen Mutter fassen? Nein, Du kannst es nicht, selbst dann nicht, wenn Du noch mit dankbarem Auge auf eine gute, liebe Mutter blicken darfst. Wie soll ich da die Mutterliebe und Muttersorgfalt unserer himmlischen Mutter für unser übernatürliches Gnadenleben erfassen und schildern. O, hätte ich doch die Glut der Empfindung und die Wucht der Beredsamkeit eines heiligen Bernhard, dann würde ich mit glühenden Farben ihre Idealgestalt Euch in die Seele zeichnen. Doch ich kann es nicht.

Aber eines begreifen wir alle auf den ersten Blick, wir begreifen, daß die Mutterschaft Mariens naturgemäß die drei oben genannten Eigenschaften in hervorragendem Maße in sich schließt.

Oder kannst Du Dir eine Mutter denken, eine wirkliche Mutter, die kein Verständnis hätte für die Dürftigkeit ihrer Kinder. Im Gegenteil, je ärmer, je hilfloser ein Kind ist, desto größere Triumphe feiert die Mutterliebe.

Aber sind wir denn auch wirklich hilfsbedürftig?

Als wir noch in die Schule gingen, ja, da waren wir auf die Hilfe anderer angewiesen. Doch jetzt ist diese Zeit der Bevormundung vorüber, jetzt fangen wir an, uns auf eigene Füße zu stellen, jetzt fangen wir an, selbständig zu werden. Wie kann man da von Hilfsbedürftigkeit sprechen?

Gewiß, vielleicht - vielleicht ist es so, wie Du denkst mit Rücksicht auf Dein leibliches Leben, auf Deine leiblichen Bedürfnisse. Aber davon ist hier nicht die Rede; hier handelt es sich lediglich um unser Gnadenleben.

Sind wir da also wirklich nicht hilfsbedürftig?

Dazu kommt, daß mit Entlassung aus der Schule gewöhnlich die Sturm- und Drangperiode des Lebens beginnt. Vorüber sind bald die goldenen Tage der Kindheit, wo wir den dumpfen Druck der niederen Triebe nicht kannten. Es kommen Gefühle, Stimmungen, Regungen über uns, die wir uns nicht erklären können. Es wallet und siedet und brauset und zischt in unserem Innern, alles ist in Gärung, alles in Aufregung - und will entfesselt sein.

Wir sind so ganz anders wie früher, wir wollen es nicht sein und sind es doch, alles macht einen ganz eigentümlichen Eindruck auf uns. Wir fangen an zu sinnen, zu träumen, zu brüten über uns selbst und unsere Gefühle und Gedanken. Wir stehen an einem Wendepunkt unseres Lebens. Der gewaltige Zwiespalt der tiefe Widerspruch, der unser ganzes menschliches Wesen unbarmherzig zerreißt, klafft nun auf in unserem Innern. Wie eine hungrige Meute stürzt sich das erwachende Tier in uns stürzen sich die rebellischen niederen Triebe auf alles, was wir bisher für unerlaubt und sündhaft hielten. Alle ihre Angriffe sind Angriffe auf unser Gnadenleben. Und da sollen wir schwache, unerfahrene Menschenkinder standhalten können.

O, gestehen wir es nur offen, wenn wir jemals Kind waren an Unbeholfenheit und Hilfsbedürftigkeit, dann ist es gerade jetzt. Mit so unheimlicher Gewalt kann die Sinnlichkeit uns packen, daß wir mit offenen Augen in unser Verderben rennen, wie der Vogel der Schlange entgegenflattert, die ihn mit ihrem Blicke gebannt hat.

Ja, himmlische Mutter, wir kennen und erkennen unsere Armseligkeit und Schwäche gern an, mögen wir auch nach draußen dastehen als durchgearbeitete Charaktere. Nur eines tröstet und ermutigt uns, daß Du unsere hilflose Lage durchschaust und verstehst, besser als wir selbst.

Ja, Maria, unsere Mutter versteht unsere Not. Kann und will sie uns aber auch helfen?

Willst Du wissen, ob Maria uns helfen will, dann frage irgend eine Mutter, die ein hilfloses Kind hat, frage sie, deren Kind ernst gewillt ist, alle Kindespflichten treu zu erfüllen, so wie wir alle entschlossen sind, treue Kinder Mariens zu sein.

Maria will uns helfen.

Maria kann uns helfen. Oder sollte Gott, der ihr ein mütterliches Herz gegeben hat, ihr eine entsprechende mütterliche Macht versagt haben?

  1.  

Die christliche Freiheit ist das Werk der Gnade; sie ist aber auch und zwar gleich wesentlich - das Werk unserer eigenen Tätigkeit. Wir müssen uns selbst erlösen, wir müssen uns in strenge Selbstzucht nehmen. Alle unsere Fähigkeiten müssen auf der ganzen Linie zielbewußt geschult und geübt werden, um allezeit kampfbereit zu sein. Wir selbst müssen die Ketten der Leidenschaft brechen, wir selbst müssen unsere Innenwelt erobern - Zoll um Zoll; wir selbst müssen uns frei und unabhängig machen von den lähmenden Banden, womit die Außenwelt unser freies sittliches Streben, unsere planmäßige Seelenarbeit zu fesseln sucht Das ist der einzigartige Weg, der zum Ziele führt. Wenn wir ihn wandeln, dann wird unsere Frömmigkeit uns nicht unbrauchbar machen für das praktische Leben. Im Gegenteil, gerade weil wir nach wahrer Frömmigkeit, nach wahrer Freiheit streben, gerade deshalb tun wir es anderen zuvor an Berufstüchtigkeit und Berufsfreudigkeit; gerade deshalb bist Du eine dankbare, gehorsame Tochter, eine verträgliche Schwester, ein brauchbares Dienstmädchen.

 

Wie sucht nun die Kongregation uns für diesen harten Kampf zu begeistern und zu üben? Von den vielen Mitteln will ich nur zwei anführen.

1. Das erzieherische wirksame Vorbild Mariens hält sie uns beständig vor Augen.

2. Sie regelt die Benutzung der erzieherisch-bedeutsamen Mittel unserer heiligen Religion - ich meine den Sakramentenempfang.

Wir alle wissen aus Erfahrung, daß Worte belehren, Beispiele anziehen. Ein großes Vorbild kann uns geradezu mit sich fortreißen und unsere gelähmte geistige Energie, unseren Tatendrang aufs höchste entflammen.

Ein solches Vorbild haben wir an Maria. Ihr ganzes Wesen strahlt uns in herrlich-einzigartiger Harmonie entgegen. Der Leib ist der Seele, die Seele ist Gott vollkommen untertan. Als treue Magd des Herrn hat sie ihren geistigen Kampf gekämpft und ausdauernd gerungen mit der von Gott gestellten Aufgabe. Wie mutig arbeitet sie sich durch alle Rätsel und Widersprüche hindurch, die das Leben ihres göttlichen Sohnes bietet, hindurch durch die schaurig-bangen Ahnungen, die sie während eines ganzen Menschenlebens quälen bis zu den Marterstunden auf Golgotha. So wird ihr Inneres immer mehr geläutert, immer reicher und tiefer entwickelt, so daß sie heute vor uns steht als das höchste Musterbild menschlich-göttlicher Vollendung.

Wie muß unser Ideal unsere Phantasie mit edlen Bildern bevölkern, unseren Verstand nach oben ziehen und unser sittliches Wollen und Streben befruchten. Riesenschritte müßten wir tun auf dem Wege der Selbstzucht, wenn wir das Bild Mariens stets vor Augen hätten.

Darum wird die Kongregation nicht müde, dieses Bild uns in; häufigen Vorträgen stets von neuem zu malen, darum verlangt sie von uns, daß wir täglich wenigstens einmal an sie denken und zwar kniend, während wir abends die vorgeschriebenen Vereinsgebete verrichten. Das gute Beispiel der Mitkongreganistinnen ermuntert; das Bewußtsein, von der Kongregation ausgeschlossen zu werden, wenn man nicht wenigstens einigermaßen ein Abbild Mariens ist, schreckt ab.

So zeigt sich uns nach und nach Leben, Wachstum und Gedeihen. Jeder gewonnene Sieg weckt echte Freude, jede Freude beschwingt und kräftigt unseren Tätigkeitsdrang. Daher gibt es keine Zeit, sich mit quälenden Sorgen um unerlaubte Gedanken und Vorstellungen abzugeben, kleinliche Ängstlichkeit und Engherzigkeit werden im Keime erstickt.

Um uns vor Selbsttäuschung zu bewahren, ist eine häufige Selbstkontrolle, die Beichte, vorgeschrieben. Mit der Leuchte ewiger Wahrheit sollen wir da die geheimsten Falten und Winkel unseres Inneren durchleuchten und unser Verhalten am Verhalten Mariens prüfen. Entgleisungen werden bereut und unter seelenkundiger Leitung Schlachtenpläne für die nächste Woche entworfen.

Um endlich unsere Kräfte zu höchster Leistungsfähigkeit anzuspornen, schreibt die Kongregation die häufige Kommunion vor. Da empfangen wir den göttlichen Leib, der aus dem eigenen Fleische und Blute unserer Mutter und Schutzherrin gebildet ist. Dieser Gottmensch will die Nahrung unserer Seele werden. Sehet da die Art und Weise, wie die Kongregation uns zur Selbsterziehung anleitet.

Andächtige Zuhörer! Ich frage Euch nun am Schlusse meiner Ausführungen: Seid Ihr nun mit mir überzeugt, daß die Marianische Kongregation nach wie vor geeignet ist, für ihre Mitglieder eine Hochschule christlicher Freiheit zu sein? Ich denke, ja. Darum preise ich glücklich Euch Eltern, die Ihr Eure Töchter in diese Schule schickt. Wie leicht wird Euch einst die Verantwortung werden, die Ihr für Eure Kinder am Richterstuhle Gottes ablegen müßt.

Glücklich preise ich die ganze Pfarrei. Erlaubt mir, hier ein Wort nachzusprechen, das auf dem Marianischen Kongreß gefallen ist. Wie ein weibliches Wesen, das sich selber vergißt, den Mann mit dämonischer Macht in die Schlammgründe der Sinnlichkeit herniederzieht, so wird umgekehrt ein echtes Kind Mariens für den jungen Menschen zum rettenden Engel. Mehr als der eifrigste Priester, mehr als die erschütterndste Predigt hilft es dem Jüngling, seine Reinheit zu bewahren oder wieder zu erobern. Es ist ihm wirklich, als ob in ihrer Gegenwart all die anderen Triebe schwiegen, ja als ob der bloße Gedanke an sie einen besseren Menschen in ihm wecke. Wie eine große Beruhigung kommt es über ihn, und nicht nur das; mehr als je zuvor fühlt er sich auch gewillt zur Hingabe an Gott und die Religion, an die höchsten und ewigen Ideale, von denen er ein Stück in diesem Mädchen verkörpert sieht. Wie mit einem Schlage wäre unsere junge Männerwelt religiös und sittlich umgewandelt, wenn alle unsere Mädchen wahre Kinder Mariens wären.

Habe ich da nicht recht, andächtige Zuhörer, wenn ich Euch Glück wünsche zu dieser stattlichen Anzahl Marienkinder.

Glück wünsche ich aber vor allem Euch, Marienkinder. Gewiß, es ist ein hartes Wort, was Ihr heute gehört habt: das Wort von der Selbstzucht. Es klingt wie Kriegsdrommeten in Euren Ohren.


  1. Vgl. Text in der vierten Predigt S. 81.

Die besondere Bedeutung der dritten Marienpredigt Pater Kentenichs, die wir nachstehend folgen lassen, hängt zusammen mit ihrem Anlaß und ihrer Thematik. Anlaß war die Aufnahme einer Gruppe von Mädchen in die Marianische Kongregation, wie sie in jenen Jahren oft gleich nach der Entlassung aus der Schule vorgenommen wurde. Zum Thema wählte er die Herausarbeitung des Wertes der Marianischen Kongregation für den Reifungsprozeß des jungen Christen. Er nennt die Kongregation - fürihn sehr bezeichnend - eine »Hochschule der christlichen Freiheit« und begründet dies damit, daß die Kongregation (1.) »reichliche Hilfskräfte der Gnade« vermittelt und (2.) die »eigenen Kräfte zu ausdauernder Anspannung« anregt. Die Kongregation richtet damit den jungen Christen auf das Ideal der christlichen Persönlichkeit aus und stellt einen äußerst brauchbaren Weg dar, diesem Ideal in harmonischem Zusammenwirken von Gnade und menschlichem Willen immer näher zu kommen. Der größte Schatz aber, den die Kongregation anbietet, ist die Person der Gottesmutter. Als Schutzherrin der Kongregation ist sie die Mutter eines jeden Kongregationsmitgliedes. Pater Kentenich knüpft bei der Darlegung dieses Sachverhaltes wieder beim »Testament« des sterbenden Heilandes Jo 19, 25-27 an, und zwar bei dem Wort an den Lieblingsjünger: »Siehe da deine Mutter«. Was ist bei diesem »schöpferischen« Wort des Gottmenschen geschehene Pater Kentenich beschreibt es in der vorliegenden Predigt so: »Seit jenem weltbewegenden Augenblicke hat sich in Mariens Herz ein ganzes Meer von Mütterlichkeit nied ergesenkt; mit den Mutterpflichten hat sie zugleich die Zartheit, Tiefe und Kraft der Mutterliebe über uns erhalten ... Was unsere leibliche Mutter für das natürliche Leben, das ist Maria für Euer übernatürliches Leben, für das Leben des Kindes Gottes in Euch ...« Als vom Heiland selbst beauftragte und entsprechend ausgerüstete Mutter hat sie (1.) »ein tiefes Verständnis für unsere geistliche Bedürftigkeit«, (2.) »ausreichende Macht« und (3.) »aufrichtigen Willen, dieser Not durch Gnadengaben abzuhelfen ...«
Darüber hinaus ist Maria für das erzieherische Bemühen in der Kongregation und des einzelnen »das höchste Musterbild menschlichgöttlicher Vollendung«. »Als treue Magd des Herrn hat sie ihren geistigen Kampf gekämpft und ausdauernd gerungen mit der von Gott gestellten Aufgabe. Wie mutig arbeitet sie sich durch alle Rätsel und Widersprüche hindurch, die das Leben ihres göttlichen Sohnes bietet ...«

Die Predigt weist in vielen Punkten eine große Nähe zur Vorgründungsurkunde des Schönstattwerkes vom 27. Oktober 1912 mit ihrem pädagogischen Programm auf: Hier wie dort die Proklamation des Ideals der christlichen Freiheit, der christlichen Persönlichkeit; hier wie dort die Betonung von Selbsterziehung und Charakterbildung auf dem Wege der Zusammenarbeit von menschlicher Willensanstrengung und göttlicher Gnade; hier wie dort der Hinweis auf die Aktualität des pädagogischen Programms für das eigene Leben und für die Zeit; hier wie dort die Hinwendung zur Gottesmutter als Schutzfrau, Mutter und Erzieherin. Dabei tritt in der Predigt die Gottesmutter als Modell des Menschen der christlichen Freiheit stärker hervor.

Tatsächlich dürfte die Predigt auch in einer großen zeitlichen Nähe zur Vorgründungsurkunde stehen. Pater Kentenich hat nicht - wie er es sonst gewöhnlich tat - schriftlich vermerkt, wann und wo er die Predigt gehalten hat. Gegen Ende des Textes findet sich ein Hinweis, der eine gewisse Datierung erlaubt. PaterKentenich erwähnt dort einen »Marianischen Kongreß«. Damit dürfte mit großer Sicherheit der internationale Marianische Kongreß gemeint sein, der im August 1912 in Trier stattgefunden hatte. Die Predigt wird wohl nicht allzu lange nach diesem Kongreß gehalten worden sein, im Spätsommer oder im frühen Herbst 1912.

Aus der kundigen und warmen Schilderung der Vorzüge der Marianischen Kongregation in der Predigt geht schließlich auch hervor, warum Pater Kentenich, im Herbst 1912 zum Spiritual des Studienheimes Schönstatt ernannt, auf die kirchliche Errichtung einer Kongregation im Studienheim hinarbeitete und nicht rubte, bis es auf dem Umweg über einen Missionsverein unter den Studenten des Studienheimes Schönstatt am 19. April 1914 soweit gekommen war. - Zum erstenmal wurde die Predigt in REGNUM, Juli 1981, S. 129-136, abgedruckt.