"35 Von dieser ersten Wirkungszeit P.Kentenichs wissen wir nicht allzu viel, und es sind uns nicht sehr viele und nicht sehr gute Texte überliefert. Bisher sind sie sehr zerstreut, und weil man eigentlich an einem Ort sämtliche Ausgaben haben müsste, um die Texte und Ausgaben vergleichen zu können, sind wir wohl noch weit weg von gesicherten Ergebnissen. Da die Textqualität nicht gut ist, muss man umso
sorgfältiger arbeiten. Ich möchte hier auf einige Texte hinweisen, die interessant sind und wenigstens als Beispiele etwas die Thematik zeigen.
- „Einführungstagung 1920“ <EfT 20>
- „Die erste Führertagung“ <FT 20>
36 P.Kentenich hat in späteren Jahren öfters vom ersten Kurs gesprochen, den er 1919 gehalten habe und bei dem ihm aufgegangen sei, wie neu Schönstatt eigentlich sei. In den Quellen finden sich Hinweise auf Tagungen, die im Jahre 1920 gehalten wurden und in der Thematik sehr ähnlich waren. Von ihnen nehme ich an, dass sie die berühmte erste Tagung darstellen. Leider ist mir kein besserer
und unmittelbarerer Text bekannt geworden als die „ Einführungstagung 1920“ <EfT 20>, mit dem parallelen Themenbericht „Die erste Führertagung“ <FT 20>. Die Themen, die angesprochen werden, sind in der Hauptsache: Apostolat, Bundesziel, Erziehung von Laienaposteln, aszetische Systeme, Apostolatsmethode, Zeitbedürfnisse, Strukturfragen (Vergleich mit Marianischer Kongregation,
Bund/Liga), Ingolstadt-Schönstatt, Psychologie der Marienverehrung, Persönliches Ideal, Selbstheiligungsprogramm, Natur und Gnade.
- „Einführungskursus 1921“ <Efk 21>
37 Der erste grössere erhaltene Kurs ist „ Einführungskursus 1921“ <EfK 21>. Er folgt der Thematik des Kurses von 1921t,bringt aber zusätzlich einige berühmte Topoi: der apologetische Beweisgangs modernes Seelenleben: Abnormitäten, Zwänge, Leidenschaften, Sexualpädagogik (Aufklärung). Es zeigen sich also hier bereits wieder Spezialitäten: das psychologische Interesse (besonders die
Beschäftigung mit dem psychischen Zwang) und das Feld der Sexualpädagogik. Bemerkenswert erscheint mir aber auch, dass kurz über das Heiligtum und über die Kindlichkeit gesprochen wird, Themen, die sich später noch mehr ausfalten werden und die Spiritualität prägen. Hier wirken sie beiläufig, aber sie sind schon da.
- „ Erste Frauentagung 1921“ <FrT 21>
38 Von historischem Interesse ist sicher die erste Frauentagung, wenn wir uns vor Augen halten, welche Bedeutung später die Frauensäule in Schönstatt haben wird. Zusätzlich zu den schon genannten Themen finden wir hier: Gnadenkapital, Frauenbild, Anknüpfungspunkte zur Marienverehrung.
- „ Gotteskindschaft 1922“ <FfKiG 22>
- „ Führertagung August 1923“ <FfWmG (Aug) 23>
- „ Exerzitien Dez. 1923“ <ExDez 23>
39 P.Kentenich hat später hervorgehoben, dass er seiner Erinnerung nach bereits in einer Zeit die Patrozentrik hervorgehoben habe, in der die katholische Welt noch ganz vom Ideal der Mütterlichkeit schwärmte. Der für diesen Zusammenhang berühmte Seelenführerkurs SFKVä 25 über die Väterlichkeit ist 1925 gehalten worden. Doch findet sich bereits in den frühen Tagungen das Thema der Kindlichkeit und bereits in „Gotteskindschaft 1922“ <FfKiG 22> eine Tagung mit dem Thema Gottvater (Schöpfer) - Kind. In der Tat datiert auch einige nachweisbar benützte Literatur dazu aus diesen frü hen Jahren (ROESLER 1920, WICKL 1921). In dieser Tagung finden wir neben den immer wieder gebrauchten Themen dieser Jahre besonders auch Texte über Christus und einen Überblick über das „aszetische
System des Bundes“.
40 Die Tagung „Führertagung August 1923“ (FfWmG (Aug) 23> erwähne ich hier, weil sie eine der zugänglicheren Tagungen über das berühmte Thema „Wandel mit Gott“ ist. Der Hintergrund dazu ist die damalige Diskussion unter den Geistlichen und in der Aszetik ü ber diesen Ansatz des geistlichen Lebens, der besonders von HOCK 1920 propagiert wurde (es gibt eine ziemlich grosse Hintergrundliteratur). P.Kentenich hat an den Dreischritt des Wandels mit Gott: „Gott anschauen, mit ihm sprechen, für ihn Opfer bringen“ immer wieder dargestellt und empfohlen. Ich bin der Meinung, dass die Art und Weise, wie er in den frühen Jahren den „Wandel mit Gott“ darstellte, enge Beziehung hat zu dem, was er später den „praktischen Vorsehungsglauben“ nannte. Ebenfalls kommt in der genannten Tagung das wichtige Thema „Verhältnis zu den Fehlern“ (nicht wundern ... ) vor (vgl. dazu
TISSOT 1919).
41 Erste Exerzitien sind mir aus dem Jahr 1923 bekannt: „ Exerzitien Dez. 1923“ <ExDez 23>, leider sind sie nicht ausführlich, sodass man den Unterschied zu den Tagungen besser herausspüren könnte. Thematisch bringen sie nicht viel mehr. Diese Tagung hat einen marianischen Teil, der zeigt, dass in Bezug auf die marianische Lehre das Jahr 1924 ein Einschnitt war. Mir ist aufgefallen, dass die Thematik dieser Jahre sehr breit war und sich die spirituellen Akzente von der Marienverehrung auf Christus und den Vater verschoben. Auch die allgemeine spirituelle Thematik (Aszese, Wandel mit Gott) spielte eine grosse Rolle." Vautie:Einführung