Nr.: 1944\07gnaort
1944, Sommer (A)
Schönstatt als Gnadenort, in: KENTENICH, Joseph, Texte zum Verständnis Schönstatts, Vallendar-Schönstatt 1974, S. 101-139
2. Schönstatt als Gnadenort
Die Diskussion um Schönstatt stößt früher oder später auf die Kardinalfrage: Ist Schönstatt - sowohl als Ort wie als Lebensgebilde - nachweisbar wirklich das, wofür es sich von Anfang an gehalten hat und was ihm in allen Situationen Stoßkraft gegeben: ein ausgeprägtes Gotteswerk?
Ich nenne Ort und Lebensgebilde in einem Atemzug, weil beide unzertrennlich miteinander verbunden sind: Sie sind miteinander geworden und gewachsen und haben immer dasselbe Schicksal geteilt. Was vom Ort ausgesagt wird, gilt gleicherweise auch vom Lebensgebilde.
Für Denken und Empfinden kritisch interessierter Stellen spitzen sich die hierher gehörigen Probleme zu der einen Frage zu:
Darf Schönstatt als Gnadenort angesprochen werden?
Daß die kirchliche Behörde Recht und Pflicht hat, eine solche Frage zu stellen, steht außer Zweifel, zumal es sich um ein Werk handelt, das von ernst zu nehmenden Kreisen, von Priestern und Laien des In- und Auslandes, mit großem Verantwortlichkeitsbewußtsein und starker Entschiedenheit getragen wird, das mannigfache Prüfungen bestanden und sich in allen Erschütterungen einer krisenreichen Zeit mit ruhiger Festigkeit durchgesetzt hat und so einen stetig wachsenden Einfluß ausübt auf die Gestaltung des Lebens in Kirche und Staat.
Daß die Diskussion jetzt erst, genau nach 30 Jahren, zum Abschluß kommen soll, darf als Beweis von großer Weitsichtigkeit und gütigem Wohlwollen gedeutet werden, da dieser lange Zeitraum leichter brauchbare Unterlagen für durchsichtigen Beweisgang und sachkundige Kritik zusammentragen läßt1.
Die Auseinandersetzung ist Schönstatt höchst willkommen. Es sucht schon länger die Gelegenheit, der kirchlichen Behörde in sein Sein, Werden und Wollen ohne jeden Vorbehalt Einblick zu geben, um als lebendiges und einflußreiches Glied der Kirche von dieser nicht nur gekannt und geduldet, sondern auch nach genauerer Prüfung positiv anerkannt und gesegnet zu sein.
Sodann ist es aufgebaut auf Grundlagen, die erfahrungsgemäß fähig sind, eine tiefergehende Erneuerungsbewegung zu tragen und bestimmte Menschentypen innerlich zu gewinnen und dauernd zu binden.
Ein Vergleich mit Fatima bringt das erneut und lichtvoll zum Bewußtsein. Im Zusammenhang mit unserem Glauben an Schönstatt als Gotteswerk hebe ich hier nur einen Vergleichspunkt hervor: die Erkenntnisquelle hüben und drüben.
Es gibt viele Menschen, die - besonders in einer Zeit des triumphierenden Irrationalismus und Mystizismus, in einer Zeit des schwindsüchtig gewordenen Glaubens und Glaubenslebens - für innere Umstellung angewiesen sind auf außergewöhnliche, weithin sicht- und greifbare Wunder und Zeichen. Gott scheint in seiner Güte und Weisheit ihnen Rechnung getragen zu haben durch Fatima.
Andere haben Kraft und Gnade, mit den gewöhnlichen, soliden Glaubenswahrheiten Ernst zu machen, um das Leben auch in den schwierigsten Situationen meistern zu können. Sie dürften eine starke Stütze an Schönstatt finden, das sich nirgendwo und - wann auf außergewöhnliche Ersteinungen - weder auf Visionen und Weissagungen noch auf Wunder in der physischen Ordnung - berufen hat. Alles fußt dort auf Gottes Wunsch und Wirken, wie es jedem vorsehungsgläubigen Christen im Alltagsleben und Weltgeschehen leicht zugänglich ist.
Kirchliche Anerkennung von Grundlage, Umfang und Auswirkung eines solch ausgeprägten Vorsehungsglaubens dürfte sich als geeignet erweisen, seine vielfach unterschätzte Bedeutung für das christliche Leben der Gegenwart weiteren Kreisen wieder zum Bewußtsein zu bringen und unverlierbar wirkungsvoll einzuprägen.
Die folgenden Erwägungen setzen Studium und Vertrautsein mit den »Schönstatt-Studien2« sowie mit den Untersuchungen und Dokumenten aus der Frühzeit Schönstatts, betitelt »Unter dem Schutze Mariens«, voraus. Sie wollen lediglich angesehen und gewertet werden als kurzer Wegweiser, als Schlüssel zum Verständnis der angegebenen Literatur und des Ringens und Strebens in und um Schönstatt. Sie gravitieren samt und sonders um Schönstatt als Gnadenort, insofern dieser mit dem Werk verbunden ist.
1. Wenn wir Schönstatt einen Gnadenort nennen, so kann das einen dreifachen Sinn haben:
Wir sprechen unser Heiligtum an als Gnadenort wie jede andere Kirche und Kapelle, wo gebetet, das heilige Opfer dargebracht wird. Dagegen hat niemand etwas einzuwenden. Auch nicht dagegen, daß wir es auffassen als Mittelpunkt einer religiösen Bewegung, die dort ihren Ursprung und durch dort getätigte ständige Kurse eine immerfort sprudelnde Speisequelle sowie infolge tiefergehender persönlicher und gemeinsamer religiöser Erlebnisse eine seelische Heimat hat.
Weil diese doppelte Deutung auf keine Schwierigkeit stößt, sieidet sie aus der Diskussion aus. Diese kreist lediglich um die Frage: Darf unser Heiligtum aufgefaßt werden ähnlich wie andere Gnaden- und Wallfahrtsorte, wo die Gottesmutter »in besonderer Weise ihren Thron« aufgeschlagen3?
2. Die Schönstattfamilie bejaht diese Auffassung und beruft sich dafür auf die Gründungsurkunde und vorsehungsgläubige Deutung der geschichtlichen Entwicklung der darauf basierenden, durchgegliederten Bewegung:
a) Die Gründungsurkunde gipfelt in den Worten:
»Es ist mir, als ob Unsere Liebe Frau in diesem Augenblicke hier im alten Michaelskapelllen durch den Mund des heiligen Erzengels zu uns spräche:
Macht euch keine Sorge um die Erfüllung eures Wunsches. Ego diligentes me diligo. Ich liebe die, die mich lieben. Beweist mir erst, daß ihr mich wirklich liebt, daß es euch Ernst ist mit eurem Vorsatz. Jetzt habt ihr dazu die beste Gelegenheit. Und glaubt nicht, daß es in der heutigen ernsten, großen Zeit etwas Außergewöhnliches ist, wenn ihr die Anforderungen an euch höher als frühere Generationen, ja aufs höchste steigert. Nach dem Plan der göttlichen Vorsehung soll der Weltkrieg mit seinen mächtigen Impulsen für euch ein außerordentliches Hilfsmittel sein für das Werk eurer Selbstheiligung. Diese Selbstheiligung verlange ich von euch. Sie ist der Panzer, den ihr anlegen, das Schwert, mit dem ihr für eure Wünsche kämpfen sollt. Bringt mir fleißig Beiträge zum Gnadenkapital: Erwerbt euch nur durch treue und treueste Pflichterfüllung und eifriges Gebetsleben recht viele Verdienste und stellt sie mir zur Verfügung. Dann werde ich mich gerne unter euch niederlassen und reichlich Gaben und Gnaden austeilen, dann will ich künftig von hier aus die jugenchichen Herzen an mich ziehen, sie erziehen zu brauchbaren Werkzeugen in meiner Hand ...« (für eine durchgegliederte, umfassende Erneuerungsbewegung)4.
b) Die rhetorische Form darf - wie aus dem ganzen Zusammenhang ersichtlich - nicht hinwegtäuschen über die darin zum Ausdruck kommende Auffassung von einem göttlichen Phn, der hier entschleiert und vorgelegt wird. Als Erkenntnisquelle will weder ein visionärer Traum - wie er bei Don Bosco vielfach vorkommt - noch eine Erscheinung - wie sie sonst häufig am Anfang von Erneuerungsbewegungen steht - angesehen werden, sondern lediglich die Tatsabe, daß schon »oft in der Weltgeschichte das Kleine und Unansehnliche die Quelle des Großen und Größten« geworden und die aus der vox temporis et historiae generalis et specialis5 gewonnene Überzeugung, daß »die göttliche Vorsehung mit ihr (der jungen Marianischen Kongregation) noch etwas Besonderes vorhat6.«
Der genaue Wortlaut heißt im Zusammenhang:
»Sie ahnen, worauf ich hinziele: Ich möchte diesen Ort gerne zu einem Wallfahrts-, zu einem Gnadenort machen ... Alle, die hierher kommen, um zu beten, sollen die Herrlichkeit Mariens erfahren und bekennen: Hier ist wohl sein. Hier wollen wir Hütten bauen, hier soll unser Lieblingsplätzchen sein. Ein kühner Gedanke, fast zu kühn für die Öffentlichkeit, aber nicht zu kühn für Sie. Wie oft war in der Weltgeschichte das Kleine und Unansehnliche die Quelle des Großen und Größten. Warum sollte das bei uns nicht auch der Fall sein können? Wer die Vergangenheit unserer Kongregation kennt (gemeint ist die Marianische Kongregation des Studienheimes), dem wird es nicht schwer zu glauben, daß die göttliche Vorsehung mit ihr noch etwas Besonderes vorhat.
Während ich dies ausspreche, ... fühle ich, daß ich den rechten Ton getroffen. Ihre Herzen haben Feuer gefangen. Sie haben meinen Plan zu dem Ihrigen gemacht. Getrost lege ich ihn und seine Ausführung in Ihre Hand und trage keine Bedenken, ihn in unsere Chronik ein zutragen. Spätere Generationen mögen dann über uns zu Gerichte sitzen7.«
Der nächste Anlaß zur Wahl der konkreten Form eines Wallfahrtsortes war die Entstehungsgeschichte des in Italien berühmten Wallfahrtsortes Valle di Pompei. Bartolo Longo gründete dort auf den Trümmern der alten heidnischen Stadt zwei große Anstalten für Waisenmädchen und Sträflingskinder und eine große Wallfahrt. Cyprian Fröhlich berichtet darüber in der »Allgemeinen Rundschau«, Nr. 29, vom 18. VII. 1914, S. 521 f. und fügt dann bei: »Wie dies alles geschah? Ja, das ist eben das Wunder. Hätte die Madonna di Pompei nicht unwiderlegliche Wunder gewirkt, ... so wäre es das größte Wunder, daß ein unbekannter Advokat nach dem Jahre 71 in dem modernen Italien auf den Trümmern einer heidnischen Stadt einen Wallfahrtsort gründen konnte8.«
Von ausschlaggebender Bedeutung war und ist für uns die eindeutige Beantwortung der Frage: Ist der Plan der göttlichen Vorsehung von uns richtig gedeutet, oder liegt eine Verwechslung eigener Wunschträume mit göttlicher Absicht vor?
Von Anfang an legten wir bewußt auf Wunder in der moralischen Ordnung, nicht aber auf solche in der physischen Ordnung Gewicht. So entsprach und entspricht es dem Geist und Wortlaut der Gründungsurkunde, die immer nur von Gnadenschätzen und Gnadenwundern spricht. So heißt es zum Beispiel (bei Kastner, Unter dem Schutze Mariens) S. 290 f. (in »Die Gründungsurkunden«, S. 23 f.; 1. GU Nr. 7):
»Als Petrus die Herrlichkeit Gottes auf Tabor gesehen, rief er entzückt aus: Hier ist wohl sein. Lasset uns hier drei Hütten bauen! Dieses Wort kommt mir wieder und wieder in den Sinn.
Und des öfteren schon habe ich mich gefragt: Wäre es nun nicht möglich, daß unser Kongregationskapellchen zugleich unser Tabor würde, auf dem sich die Herrlichkeit Mariens offenbarte? Eine größere apostolische Tat können wir ohne Zweifel nicht vollbringen, ein kostbareres Erbe unseren Nachfolgern nicht zurücklassen, als wenn wir unsere Herrin und Gebieterin bewegen, hier in besonderer Weise ihren Thron aufzuschlagen, ihre Schätze auszuteilen und Wunder der Gnade zu wirken.«
Und S. 292 (in »Die Gründungsurkunden«, S. 27; Nr. 11) anwortet die Gottesmutter:
»Diese Selbstheiligung verlange ich von euch. Sie ist der Panzer, den ihr anlegen, das Schwert, mit dem ihr für eure Wünsche kämpfen sollt. Bringt mir fleißig Beiträge zum Gnadenkapital: Erwerbt euch nur durch treue und treueste Pflichterfüllung und eifriges Gebetsleben recht viele Verdienste und stellt sie mir zur Verfügung. Dann werde ich mich gerne unter euch niederlassen und reichlich Gaben und Gnaden austeilen, dann will ich künftig von hier aus die jugendlichen Herzen an mich ziehen, sie erziehen zu brauchbaren Werkzeugen in meiner Hand ...«
So entsprach und entspricht es dem Charakter Schönstatts als Erzieher- und Erziehungsbewegung und seiner ausgeprägten geistigen Eigenart, die sich unentwegt orientiert an den beiden Bibelworten: »Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, und alles Übrige wird euch zugegeben werden« (Mt 6,33); »De nen, die Gott lieben, gereichen alle Dinge zum Besten!« (Röm 8, 28).
So entsprach und entspricht es der Zentralaufgabe Schönstatts, die sich fortlaufend klarer und immer kla rer herausstellte:
Einer glaubensschwachen, atheistisch, pantheistisch und deistisch angekränkelten Zeit und Welt Kraft und Macht eines tief verwurzelten, erleuchteten, marianisch gefärbten Vorsehungsglaubens vorzuleben.
Wer das alles weiß, dem wird der Beweisgang verständlich, der sich nach glücklich überstandenem Weltkrieg seit 1919 ungezählt viele Male wiederholt und Jahr für Jahr an Inhalt und Beweiskraft gewinnt. Er kreist um den Gedanken: Schönstatt trägt die drei Kriterien der Gotteswerke an der Stirne:
Geringfügigkeit der Werkzeuge und Mittel,
Größe der entgegenstehenden Schwierigkeiten,
Tiefe, Dauer und Umfang der Fruchtbarkeit.
Wer diese drei Maßstäbe kritisch an die Schönstattgeschichte legt, nachdem er tieferen Einblick in alle Einzelheiten gewonnen, wer den aus kleinen Rinnsalen entspringenden und sich trotz größter allseitiger Hemmungen und mangelnder menschlich wirksamer Mittel und Antriebe durchsetzenden machtvollen Lebensstrom gläubig auf sich wirken läßt, wer weiß, wieviel Heroismus in allen Ständen geweckt wurde, so daß ungezählt viele Leben und Freiheit der Gottesmutter für ihr Werk angeboten, dem fällt die Glaubwürdigkeit unserer Behauptung nicht schwer. Sie verdichtet sich zwanglos und überzeugend zu einer certitudo moralis9.
»Unter dem Schutze Mariens« schließt eine gleichartige Untersuchung mit dem Ergebnis:
»Daher konnten die geschichtlichen Untersuchungen mit der Feststellung abgeschlossen werden, daß sich in den Werdegesetzen Schönstatts überhaupt nichts 'Besonderes' vorfindet, sondern nur die klare Erkenntnis und zielstrebige Anwendung allgemein gültiger Gesetze katholischen Lebens und katholischer Erziehung, so daß ein ähnliches Werk in der treuen Hingabe an die jeweiligen konkreten Weisungen Gottes auch anderswo hätte entstehen können. Die Gründungsurkunde ... ist ein Musterbeispiel und Beweis, wie sorgsam man sich bemühte, aus der Sprache der Verhältnisse die Absichten der göttliien Vorsehung zu erlauschen, damit nicht das menschliche Denken und Tun, sondern der Wille Gottes bestimmend am Anfang stünde. Nachdem Schönstatt heute trotz der nicht geringen entgegenstehenden Schwierigkeiten und trotz der Geringfügigkeit der ersten Anfänge und der menschlichen Werkzeuge auf eine segensreiche Entwicklung zurückblicken kann, gewinnt die anfängliche Wahrscheinlichkeit, mit den Überlegungen ... die Absichten Gottes richtig ertastet zu haben, im Lichte der Geschichte erhöhte Zuverlässigkeit bis zu jener praktischen Gewißheit, die in derartigen Dingen des Lebens überhaupt zu erreiden ist. Deswegen wäre es frevelhafte Untreue, solange Gottes Vorsehung nicht eine andere Richtung angibt, das begonnene und gesegnete Werk, so wie es geworden ist, preiszugeben. Heute gelten erst recht die Worte ...: 'Ob unsere Kongregation tatsächlich einen Heiligen hervorbringt? Wir wissen es nicht, hoffen es aber zuversichtlich. Eines jedoch wissen wir: Eine schwere Verantwortung und den Zorn unserer himmlischen Mutter lädt die Generation auf sich, die unser opferreiches Werk - das Werk der göttlichen Vorsehung - zugrunde gehen oder verkümmern läßt. Wehe dem Magistrat, der es soweit kommen läßt! Die gerechte Strafe wird ihn ereilen10!'«
Und die »Worte zur Stunde« sagen11:
»Heute wundern wir uns, daß unsere junge Gründergeneration vor 25 Jahren von einem solch tiefen Werkzeugs- und Sendungsbewußtsein getragen war. Mit Recht fragen wir nach den Gründen, die sie dazu veranlaßt. Wir kennen sie. Viele von uns wären damals schwerlich damit zurechtgekommen.«
Sie baute auf die vorsehungsgläubige Überzeugung ihres Spirituals und erwärmte sich an dem klassischen Anschauungsunterricht, der sich in der Parallele Ingolstadt-Schönstatt nach den Gesetzen der Arkandisziplin eine Form gestaffen und in unserem Heiligtum unter dem Bogen um das MTA-Bild verewigt worden ist12.
»Besser verstehen wir den Beweisgang, der nach fünfjähriger Existenz und Fruchtbarkeit am Ende des Weltkrieges von 1919 ab diese göttliche Sendung erhärtet. Wir haben ihn ja ungezählt viele Male gehört und wiederholt. Er gruppiert sich um die bekannten Worte: Geringfügigkeit des Werkzeugs, Größe der Schwierigkeiten und Größe des Erfolges. Was wir seit 1919 bis heute durchkämpfen und erreichen durften, verstärkt nach allen Seiten in ungemein tiefer Weise die Beweiskette und damit unseren Sendungsglauben und unser Werkzeugsbewußtsein. Wir haben darum Grund, allen herzlich zu danken, die die göttliche Vorsehung benutzt, um uns Schwierigkeiten zu machen. Ohne sie ständen wir heute, wo so vieles zusammenbricht und soviel Mutlosigkeit weiteste Kreise lähmt, wohl nicht so gefestigt in unserem frohen und sieghaften Glauben, Hoffen und Lieben da.
Es ist nun unsere Sache, duri Gebet und Studium der Familien- und Zeitgeschichte diesen Sendungsglauben zu vertiefen13.«
Wer unsere Geschichte nicht genauer kennt, kann auch unsere Überzeugung nicht verstehen und teilen. Das authentische Urteil über deren Berechtigung steht der kirchlichen Behörde zu. Leider fehlt eine ausführliche, kritisch gesichtete Familiengeschichte als zuverlässige Unterlage für ein solches Urteil.
Zwei Hindernisse stehen ihrer Abfassung im Wege: Das eine ließe sich im Interesse der Wichtigkeit der Angelegenheit überwinden. Es besteht in dem verhältnismäßig geringen Abstand, den wir jetzt noch von den Dingen haben. Das andere ist ernster zu nehmen: Die augenblicklichen Zeitverhältnisse gestatten keine klare Darstellung. So bleibt uns denn nichts übrig als ein offener, wenn auch bruchstückartiger und lückenhafter mündlicher Bericht.
3. Katholisches Denken, Lieben und Leben ist trotz göttlicher Weite und Anpassungsfähigkeit immer stark rückwärtsorientiert und traditionsgebunden. Wir müssen deswegen Gewicht darauf legen, festzustellen, daß wir mit unserer Auffassung in all ihren Teilen in bewährter katholischer Vergangenheit wurzeln.
Die Bedeutung, die wir dem Vorsehungsglauben beimessen, und die Orientierung an Gottes Fügung und Führung in Leben und Geschichte ist alt- und neutestamentliches Erbgut; sie kommt anschaulich zum Ausdruck in dem bekannten Wort: Vox temporis, vox Dei14! Der Vorsehungsglaube selber gehört praktisch zur Substanz im Glaubensleben unseres gut katholischen Volkes. Auf ihn und seine namhaft gemachte Erkenntnisquelle macht der Heiland nachdrücklich aufmerksam, wenn er seinen Zuhörern vorwirft: Die Zeichen am Himmel wißt ihr zu deuten, nicht aber die Zeichen der Zeit! (Mt 16, 3.)
Die marianische Färbung entspricht der Stellung der Gottesmutter im Heilsplan, wie der Heilige Vater sie am Schluß seines Welthirtenbriefes über den mystischen Leib Christi kurz und lichtvoll darstellt15. Sie ist Ausdruck eines bewährten sensus catholicus und Antwort auf die Absichten Gottes, der offensichtlich die Weltkrisen - wie so häufig in der Geschichte bei ähnlichen Gelegenheiten - benutzen will, um die Herrlichkeiten der demütigen Magd des Herrn zu offenbaren. Diesmal scheint er sie als Mediatrix und Überwinderin der anthropologischen Häresien ins rechte Licht rücken zu wollen. Darum sagen die »Worte zur Stunde16«:
»Wenn wir im Geiste der Blankovollmacht den apostolischen MTA-Dienst ernst nehmen und uns mit ganzer Seele für seine Verbreitung einsetzen, hoffen wir gewürdigt zu werden, die Zeit mit heraufführen zu helfen, in der die Kirte mit Recht singt: Omnes haereses - etiam anthropologisas - tu sola interemisti in universo mundo! Du hast auch die anthropologischen Häresien der Neuzeit überwunden und eine Neuordnung der christlichen Gesellschafic herbeigeführt. Das sei gleichzeitig unser praktischer Beitrag zur Klärung der Frage nach der allgemeinen Gnadenvermittlung.
Wo ist die tief religiöse Seele, die durch ein solch schönes Doppelziel nicht erwärmt und zur Anspannung aller Kräfte angespornt wird! Möge die Dreimal Wunderbare Mutter von Schönstatt recht viele Kinder und Glieder unserer Familie für diese hehre Aufgabe auserwählen und benutzen!«
Die Geschichte der Wallfahrtsorte zeigt, daß Gott nicht selten sich bei ihrer Entstehung der schlichten Volksfrömmigkeit bedient, wenn vielfach auch später legendäre Wunder hinzuzukommen pflegen. Daß bei Schönstatt diese Frömmigkeit zielstrebig geleitet und in ihren Wirkungen und Früchten sorgfältig beobachtet wurde, um daraus durch das Organ des Vorsehungsglaubens ein deutliches Echo von oben zu erlauschen, daß also bewußte und erleuchtete Eigentätigkeit dabei eine starke Rolle mitspielte, widerspricht nicht dem Wesen des gesunden Vorsehungsglaubens. Diese Eigentätigkeit erhält in ihrer überzeitlichen und zeitgemäßen Bedeutung eine lichtvolle und wirksame Bestätigung durch die Ausführungen des Heiligen Vaters in genannter Enzyklika über die Notwendigkeit menschlicher Mitarbeit mit der Gnade. Die von ihm angeschlagenen Klänge sind uns so geläufig und vertraut, daß wir darin sofort die Sprache der Gründungsurkunde wiederentdecken, so stark berühren sich hüben und drüben die Gedankengänge. Ich lasse einige Stellen folgen.
Nachdem Pius den falschen Mystizismus gekennzeichnet, geht er mit dem Quietismus zu Gericht. Er schreibt17:
»Nicht weniger entfernt sich von der Wahrheit der gefährliche Irrtum derer, die aus unserer geheimnisvollen Verbindung mit Christus einen ungesunden Quietismus herleiten wollen. Danach wird das ganze geistliche Leben der Christen und ihr Fortschritt in der Tugend nur der Wirksamkeit des Heiligen Geistes zugeschrieben unter völliger Verkennung und Beiseitelassung der persönlichen Mitwirkung, die wir ihm schulden. Gewiß kann keiner leugnen, daß der Heilige Geist Jesu Christi die einzige Quelle ist, aus der alles übernatürliche Leben in die Kirche und ihre Glieder herabfließt. Denn die 'Gnade und Glorie verleiht der Herr', sagt der Psalmist (Ps 84,12). Daß aber die Menschen beständig in den Werken der Heiligkeit verharren, daß sie unverdrossen in der Gnade und Tugend voranschreiten, daß sie selbst mannhaft zum Gipfel der christlichen Vollkommenheit emporstreben und auch andere nach Kräften dazu anspornen, das alles will der Geist Gottes nur dann wirken, wenn die Mensien selbst durch tägliches, tatkräftiges Bemühen ihren Teil dazu beitragen. 'Nicht den Schlafenden', sagt der heilige Ambrosius, 'sondern den Eifrigen werden die göttlichen Wohltaten gespendet18.'«
Eine flüchtige Überprüfung der Gründungsurkunde zeigt, wie stark diese dauernde, ja heroische Mitarbeit betont wird. Sie wird als Vorbedingung hingestellt für die besonderen Gnadenerweise der Gottesmutter.
In unmißverständlicher Weise weist der Papst auch hin auf das, was wir Beiträge zum Gnadenkapital nennen. Er erklart:
»Zwar hat unser Heiland seiner Kirche durch das bittere Leiden und den bitteren Tod einen geradezu unendlichen Schatz von Gnaden verdient. Doch diese Gnaden werden uns nach Gottes weisem Rat nur zu Teilen zugedacht; ihre größere oder geringere Fülle hängt nicht wenig auch von unseren guten Werken ab, durch die der von Gottes Huld gespendete Gnadenregen auf die Seelen der Menschen herabgezogen wird. Er wird sicherlich in reicher Fülle strömen, wenn wir nicht nur eifrig zu Gott beten und besonders am heiligen Meßopfer womöglich täglich andächtig teilnehmen, nicht nur in christlicher Liebespflicht die Not so vieler Bedürftiger zu lindern versuchen, sondern vor allem, wenn wir den vergänglichen Gütern dieser Welt die ewigen vorziehen, wenn wir diesen sterblichen Leib durch freiwillige Buße in Zucht halten, ihm Unerlaubtes versagen und auch Hartes und Rauhes ihm abfordern, wenn wir endlich die Mühen und Leiden des gegenwärtigen Lebens wie aus Gottes Hand ergeben annehmen. So werden wir gemäß dem Wort des Apostels 'an unserem Fleische ergänzen, was an dem Leiden Christi noch fehlt für seinen Leib, die Kirche'« (Kol 1, ## 24)[^19-er7j6rm].
Das Verhältnis zwischen Gott und Mensch, zwischen Gottes- und Menschentätigkeit wird lichtvoll dargestellt und dadurch das Verständnis vorbereitet und vertieft für den contractus bilateralis gratuitus19, von dem wir später zu berichten haben. Die Enzyklika schreibt:
»Man darf aber nicht glauben, daß Christus, unser Haupt, weil er eine so überragende Stellung einnimmt, nicht nach der Hilfe seines mystischen Leibes verlangt. Denn auch von diesem gilt, was Paulus vom menschliien Organismus aussagt: 'Das Haupt kann nicht zu den Füßen ... sprechen: Ich bedarf euer nicht' (1 Kor 12,21).
Es ist offenkundig, daß die Christgläubigen unbedingt der Hilfe des göttlichen Erlösers bedürfen, da er selber sagte: 'Ohne mich könnt ihr nichts tun' (Joh 15,5), und da nach des Apostels Ausspruch jeder Zuwachs beim Aufbau dieses mystischen Leibes von Christus, dem Haupte, sich herleitet (vgl. Eph 4,16; Kol 2,9). Jedoch muß auch festgehalten werden, so seltsam es erscheinen mag, daß Christus nach der Hilfe seiner Glieder verlangt. Und dies gilt vor allem vom obersten Hirten, insoweit er die Stelle Jesu Christi vertritt: Um der Last des Hirtenamtes nicht zu erliegen, muß er andere zur Teilnahme an nicht wenigen seiner Obliegenheiten berufen und bedarf täglich der Unterstützung durch die Gebetshilfe der Gesamtkirche. Überdies will unser Erlöser, soweit er persönlich auf unsichtbare Weise die Kirche regiert, die Mitwirkung der Glieder seines mystischen Leibes bei der Ausführung des Erlösungswerkes. Das geschieht nicht aus Bedürftigkeit und Schwäche, sondern vielmehr deshalb, weil er selber zur größeren Ehre seiner makellosen Braut es so angeordnet hat. Während er nämlich am Kreuze starb, hat er den unermeßlichen Schatz der Erlösung seiner Kirche vermacht, ohne daß sie ihrerseits dazu beitrug. Wo es sich aber darum handelt, den Schatz auszuteilen, läßt er seine unbefleckte Braut an diesem Werk der Heiligung nicht nur teilnehmen, sondern will, daß dies sogar in gewissem Sinne durch ihre Tätigkeit bewirkt werde. Ein wahrhaft stauererregendes Mysterium, das man niemals genug betrachten kann: daß nämlich das Heil vieler abhängig ist von den Gebeten und freiwilligen Bußübungen der Glieder des geheimnisvollen Leibes Jesu Christi, die sie zu diesem Zweck auf sich nehmen, und von der Mitwirkung, die die Hirten und Gläubigen, besonders die Familienväter und -mütter, unserem göttlichen Erlöser zu leisten haben.«
Wir sehen in diesem Text Erklärung und Begründung unseres Merkwortes: Nichts ohne dich - nichts ohne uns.
4. Ist aber nicht zu erwarten, daß die Kirche - ob sie unseren Beweisgang anerkennt oder nicht - zwecks größerer Sicherheit Wunder in der physischen Ordnung verlangt?
Das ist zunächst unwahrscheinlich, wenigstens soweit es sich um ihr Oberhaupt handelt, das Schönstatt kennt. Wer die bisherigen Verlautbarungen des Papstes vergleicht mit unserer Denk- und Lehrweise, findet in allen Teilen eine überraschende Übereinstimmung: mag es sich um das Christkönigreich der Wahrheit, Liebe und Gerechtigkeit, um Liturgie und Volksfrömmigkeit handeln oder um Sühne und Herz-Mariä-Verehrung oder schlechthin um die Stellung der Gottesmutter im Heilsplan. Deshalb darf von vornherein angenommen werden, bis das Gegenteil erwiesen ist, daß wir auch in dieser Frage die geistige Haltung des Heiligen Vaters richtig treffen. Das um so mehr, da ihm daran gelegen sein mag, nachdem er durch Fatima den Weg der Zeichen und Wunder anerkannt, durch Schönstatt den gewöhnlichen Weg des einfaben starken Vorsehungsglaubens bei Neugestaltung der Welt zu Ehren zu bringen, wie er dem Geist der »Werktagsheiligkeit« entspricht, für die er seinerzeit als Kardinalstaatssekretär von seinem Vorgänger Segen und Belobigung erwirkte.
Das Anerkennungsschreiben lautet:
»Es freut mich, Dir mitteilen zu dürfen, daß dem Erhabenen Pontifex das Buch 'Werktagsheiligkeit', das Du ihm als Geschenk übersandt, große Freude gemacht hat.
Seine Heiligkeit dankt recht herzlich für die sehr wertvolle Gabe und beglückwünscht den verdienten Verfasser, weil er es versteht, durch seine überaus soliden und zugkräftigen Ausführungen die Gläubigen wirksam anzuleiten, aus Sorge für eigenes und fremdes Seelenheil auch den Werktag durch heilige Entschlüsse, fromme Gedanken und gute Werke zu heiligen.
Der Heilige Vater erteilt Dir und den Deinen, besonders dem Verfasser des geschätzten Buches, den Apostolischen Segen.
Indem ich herzlich für das gleichzeitig auch mir als Geschenk übersandte Buch danke, bin ich in gebührender Hochachtung und aufrichtiger Ergebung ## ...[^21-er7j6rm]«
Ob ferner solche Wunder ein untrügliches Kriterium sind, das für jedermann jeden Zweifel ausschließt? Ob nicht vielmehr auch hier das Wort gilt: »Sie haben Moses und die Propheten« - das heißt die klaren Glaubenswahrheiten -, »auf die sollen sie hören! ... Wenn sie nicht auf Moses und die Propheten hören, so werten sie auch nicht glauben, wenn einer von den Toten aufersteht« (Lk 16, 29.31)?
Werden die Wunder aber trotzdem wider Erwarten und Brauch verlangt - was um so mehr zu verwundern wäre, als wir nirgendwo ein Durchbrechen der gewöhnlichen Gnadenordnung20 behaupten -, so werden wir dadurch auf einen doppelten Weg gewiesen: Wir können die Gottesmutter bitten, im Interesse des Heimatrechtes eines starken Vorsehungsglaubens die Herzen der Behörde umzulenken und umzuwandeln wie Wasserbäche, wir können die fürbittende Allmacht aber auch durch unser Vertrauen bewegen, auf das Verlangen einzugehen. Unser Vorsehungsglaube, der bisher über alle Schwierigkeiten gesiegt, läßt uns zuversichtlich erwarten, daß sie ihr Ziel erreicht: entweder so oder so; wenn nicht heute, dann morgen.
Auch in irdischen Dingen hat sie uns bisher nicht verlassen. Der Heilige Vater macht in der angezogenen Enzyklika aufmerksam:
»Es ist den einzelnen Menschen auch nicht verwehrt - deswegen, weil sie Glieder dieses Leibes sind, besonders - auch rein zeitliche Gaben für sich selbst zu erbitten, wenn dabei nur die demütige Unterwerfung unter den Willen Gottes gewahrt wird; sie bleiben ja selbständige Personen und ihren persönlichen Bedürfnissen unterworfen21.«
Die Dreimal Wunderbare Mutter hat sich uns im Laufe der Jahre nicht nur als treusorgende Gnaden-, sondern auch als liebende Brotmutter erwiesen. Ich erinnere nur an die wirtschaftlichen Nöte und deren Behebung in den ersten Jahren und an die Gründungen im In- und Ausland. Die »Worte zur Stunde« erklären:
»Das Mutterherz Mariens bietet vielfach stärkeren Schutz als alle anderen Räume22.«
Die Wahrheit dieses Wortes haben wir ungezählt viele Male erfahren, nicht zuletzt in Schönstatt selbst. Ganz zu schweigen von der greifbaren Hilfe in den Nöten einer Hungerepidemie23. Geht solcher Schutz auch nicht über eine auffallende Gebetserhörung hinaus, so berechtigt er doch zu der Hoffnung, daß die Gottesmutter weitergeht, wenn es so verlangt wird und im Plane der göttlichen Vorsehung liegt. Nur müssen wir Schönstatt dann noch mehr als bisher vor der Gefahr der Veräußerlichung bewahren, sonst verliert es den Charakter einer Erzieher- und Erziehungsbewegung. Um sein ausgeprägt geistiges Gesicht nicht zu verzeichnen, haben wir bislang alle angebotenen Votivgeschenke abgelehnt, unberechtigten Handel und Ausbeutung unterbunden.
5. Die oben zitierte Lesart der Gründungsurkunde trägt unverkennbar den Charakter eines Liebesbundes an der Stirne zwischen Schönstatt und der Gottesmutter: Schönstatt erklärt sich bereit, aus Liebe ernst und gewissenhaft nach Heiligkeit zu streben - die Gottesmutter will dafür ihre Liebe dadurch beweisen, daß sie Schönstatt zur Gnadenstätte macht und das Schönstattwerk ins Leben ruft und leitet und beseelt.
Die Moraltheologen nennen Liebesbund contractus bilateralis gratuitus, zum Unterschied von contractus bilateralis onerosus. Weil beide vielfach miteinander verwechselt werden, entsteht leicht Verwirrung und Unsicherheit. Es sei darum noch einmal hervorgehoben, daß wir immer nur von einem Liebesbündnis, vom contractus bilateralis gratuitus sprechen. Als solches wird die Gründungsurkunde charakterisiert durch die Worte:
»Ego diligentes me diligo24.« Das heißt: Wenn ihr mich liebt und mir eure Liebe beweist, stelle ich meine Liebe unter Beweis. Der folgende Text: »Beweist mir erst, daß ihr mich wirklich liebt ... Dann werde ich mich gerne unter euch niederlassen25«, bestimmt den genaueren Inhalt des gegenseitigen Liebesbündnisses.
Um restliche Abwehrgefühle gegen den Ausdruck »contractus bilateralis gratuitus« oder »beiderseitiges Liebesbündnis« zu entfernen, sei daran erinnert, daß die Marianische Kongregation die üblichen Weihen von jeher als solchen beiderseitigen Kontrakt aufgefaßt hat. Als Funktion und Triebkraft war diese Überzeugung immer wirksam, nicht selten aber auch als anerkanntes Ziel und klar erfaßte Aufgabe. Belege dafür finden sich in »Unter dem Schutze Mariens«, S. 371-373. Die »Präsideskorrespondenz« kommt in einer Studie zu der grundsätzlichen Auffassung:
»Die Weiheformel scheidet sich in zwei Teile, die einen bilateralen Vertrag ausdrücken. Im ersten Teil übernimmt der Sodale Maria gegenüber Verpflichtungen auf sich. Als Folgerung daraus erwartet er von Maria im zweiten Teil genannten Schutz. Es ist nicht unwichtig, auf diese logische Folge hinzuweisen26.«
»Die Lebensweihe des Sodalen an die Himmelsmutter mit allen Konsequenzen für das ganze Leben, intensiv wie extensiv der eine Teil des Vertrages, der Muttermantel Marias, sorgsam über ihre Kinder gebreitet, der andere Vertragsteil27.«
Diese Tatsache zeigt deutlich, daß der Gedanke des contractus bilateralis gratuitus in kirchlicher Vergangenheit wurzelt.
Besagte kontraktmäßige Zweiteilung findet sich auch in der von Pius XII. verfaßten Weiheformel an die Gottesmutter von Fatima. Dort heißt es28:
»Einst wurde die Kirche und das ganze Menschengeschlecht dem Herzen deines Jesus geweiht, damit es, in dem allein alle Hoffnung ruht, für sie Zeichen und Unterpfand des Sieges und der Rettung sei29; so weihen auch wir uns in gleicher Weise für immer dir, deinem unbefleckten Herzen, du unsere Mutter und Königin der Welt: auf daß deine Liebe und dein Schutz den Triumph des Gottesreiches beschleunige und alle Völker, im Frieden miteinander und mit Gott, dich seligpreisen und von einem Ende zum anderen dem Herzen Jesu, in dem allein sie die Wahrheit, das Leben und den Frieden finden können, mit dir das ewige Magnifikat der Ehre, Liebe und Dankbarkeit anstimmen.«
Seitdem der Heiland gesagt: »Bittet, und es wird euch gegeben werden; suchet, und ihr werdet finden; klopfet an, und es wird euch aufgetan, denn jeder, der bittet, der empfängt; wer sucht, der findet; wer anklopft, dem wird aufgetan werden« (Mt 7,7 f.), kann jedes Bittgebet, das im biblischen Sinne verrichtet wird, als gegenseitiger Liebesbund aufgefaßt und gewertet werden.
Die Gründungsurkunde - praktisch durchgeführt - ist sowohl eine Weihe als auch ein Bittgebet. Daß die gelebte Urkunde als Weihe, als gegenseitiges Schenken und Verschenken angesprochen werden darf, ergibt sich aus ihrer ganzen Aufmachung. Daß die Weihegeschenke, die wir anbieten, den Charakter einer Bitte haben, erweisen folgende Stellen:
»Wie für unseren zweiten Patron, den heiligen Aloysius, eine Muttergotteskapelle in Florenz, so soll für uns diese Kongregationskapelle die Wiege der Heiligkeit werden. Und diese Heiligkeit wird unserer himmlischen Mutter sanfte Gewalt antun und sie zu uns herniederziehen30.«
Dieses Heiligkeitsstreben erhält im Geiste Grignions den Charakter der Beiträge zum Gnadenkapital der MTA: »Bringt mir fleißig Beiträge zum Gnadenkapital31...«
Dadurch schenken wir der MTA nicht nur den sühnenden, sondern auch den fürbittenden Wert unserer guten Werke. Füglich dürfen wir die Vollentfaltung der Beiträge in Form der Blankovollmacht an die MTA und der Inscriptio als eine ständige lebendige Bitte auffassen, sich in Schönstatt niedenulassen und das Schönstattwerk zu vollenden und zu beseelen. Die Gottesmutter erklärt:
»Diese Selbstheiligung verlange ich von euch. Sie ist der Panzer, den ihr anlegen, das Schwert, mit dem ihr für eure Wünsche kämpfen sollt32.«
Wie aus dem Zusammenhang ersichtlich, sind die hier gemeinten Wünsche lebendigen Bitten gleichzusetzen. Darum muß der Gründungsurkunde von vornherein der Charakter eines beiderseitigen Liebesbundes zuerkannt werden. Schwierigkeit macht nur die Frage, ob der Gegenstand der Bitte und Hingabe wirklich im biblischen Sinne ist. Die Untersuchung darüber kann eine grundsätzliche und eine praktische sein. Die grundsätzliche überprüft, ob und unter welchen Bedingungen man so weit mit seinen Bitten und Erwartungen gehen darf, wie die Gründungsurkunde das tut. Die praktische begnügt sich mit der Erörterung, ob wenigstens in diesem Falle Bitte und Inhalt des Vertrages berechtigt und im Himmel anerkannt wird.
Wir glauben - wie aus den Darlegungen sich ergibt - Grund genug zu haben zur Annahme und Überzeugung, daß Gott und Gottesmutter durch die Sprache der Geschichte deutlich gesprochen, und vermeinen deshalb ein Recht zu haben, von einem beiderseitigen Liebesbund (contractus bilateralis gratuitus) zwischen Schönstatt und der Mater Ter Admirabilis zu reden. Die »Worte zur Stunde« sprechen deshalb vom »Gründungskontrakt33« und von einem »freien gegenseitigen Wahl- und Verschenkungsakt34«. Sie erklären:
»Diesen freien Wahlakt tätigte die Familie erstmalig bei der Gründungsurkunde Sie sah darin kein Wagnis, weil sie glaubte, von der Gottesmutter nach den Plänen der göttlichen Vorsehung in besonderer Weise dazu auserlesen zu sein. Die Familie erwählte Unsere Liebe Frau in einzigartiger Weise zu ihrer Mutter, Königin und Fürsprecherin. Und die hehre Mutter unseres Herrn machte unsere kleine Familie zu ihrer Lieblingsschöpfung und Lieblingsbeschäftigung. So stellt die Gründungsurkunde einen freien gegenseitigen Wahl- und Verschenkungsakt dar.
Jede Weihe, die im Laufe der 25 Jahre einzeln oder in Gemeinschaft getätigt wurde, darf als ... eine Erneuerung und Wiederholung dieses gegenseitigen freien Wahl- und Verschenkungsaktes aufgefaßt werden35.«
»Als ein besonderes Gnadengeschenk dürfen wir die Tatsache buchen, daß die Familie als Gesamtheit am Jubiläumstage so reif geworden und sich so tief in den Geist des Gründungskontraktes und der Weihe hineingelebt, daß sie sich bereit erklärt, der Dreimal Wunderbaren Mutter von Schönstatt nicht nur alle Fähigkeiten der Seele und des Leibes, nicht nur alle geistigen und irdischen Besitztümer, sondern auch das eigene Leben ganz und immer für ihr Werk anzubieten36.«
»Wenn Gott aber nun auch wirklich Ernst macht mit unserem Angebot? Dann erinnern wir uns daran, daß die Blankovollmacht in der Gründungsurkunde und in unserer Weihe bereits enthalten und daß beide einen gegenseitigen Verschenkungs- und Wahlakt darstellen37.«
Die pädagogische Bedeutung einer solchen dogmatisch begründeten und psychologisch überaus wirksamen klar erfaßten Idee steht hier nicht zur Diskussion. Sie scheidet deswegen aus unseren Erwägungen aus. Man sage auch nicht, alle Einzelheiten des Beweisganges sowie seiner Gesamtstruktur sind berechtigt und begründet, sie alle wurzeln auch in der kirchlichen Vergangenheit. Aber nirgendwo wird der Bündnisgedanke so stark als leitende Idee hervorgehoben und zum Ausgangspunkt einer starken Bewegung gemacht! Einmal angenommen, das wäre so - geschichtliche Forschung dürfte leicht das Gegenteil beweisen -, so lieg eine Akzentverschiebung von der Funktion einer Idee hin zu ihrer klaren Herausstellung nicht nur im Sinn und Geist einer gesunden Philosophie und Psychologie, sondern auch eines bewährten sensus catholicus. Die Entwicklung der Dogmen ist, wie sich leicht nachweisen läßt, eine vom Heiligen Geist angeregte, konkrete Form dieses Lebensvorganges. Man vergleiche die geschichtliche Entwicklung der Dogmatisierung der Immakulata.
Neues Licht fällt auf die Kernfrage durch sachgemäßen Vergleich zwischen Fatima und Schönstatt. Deshalb seien wenigstens einige Momente kurz angeführt.
Auffallende Ahnlichkeit besteht u.a. zwischen beiden in der Bündnisform und der verlangten Aufgabe des irdischen Partners.
In Schönstatt heißt es:
»Ego diligentes me diligo ... Beweist mir erst, daß ihr ..., dann werde ich mich ...38«
In Fatima:
»Wenn man meine Bitten erfüllt, wird sich Rußland bekehren, und es wird Friede sein. Wenn nicht, so wird eine glaubensfeindliche Propaganda in der Welt ihre Irrtümer verbreiten, wird Krieg und Verfolgungen der Kirche hervorrufen; viele Guten werden gemartert werden; der Heilige Vater wird viel zu leiden haben. Mehrere Nationen werden vernichtet werden ... Am Ende wird mein unbeflecktes Herz triumphieren ... Wenn man das tut, was ich euch sage, werden viele Seelen gerettet, und der Friede wird kommen...39«
In Schönstatt wird vom irdischen Partner verlangt:
»Bringt mir fleißig Beiträge zum Gnadenkapital: Erwerbt euch nur durch treue und treueste Pflichterfüllung und eifriges Gebetsleben redt viele Verdienste und stellt sie mir zur Verfügung.«
»... glaubt nicht, daß es in der heutigen ernsten und großen Zeit etwas Außergewöhnliches ist, wenn ihr die Forderungen an euch höher als frühere Generationen, ja aufs höchste steigert...40«
Die Beiträge zum Gnadenkapital der MTA stellen im Sinne Grignions nicht nur den fürbittenden, sondern auch den sühnenden Wert der guten Werke zur Verfügung. Der Text, der die Gründungsurkunde unter dem Gesichtspunkt des Heiligkeitsstrebens erklärt, setzt sich mit der Sünde als Ursache des Krieges auseinander41 und unterstreicht als ernste Folgerung die unerbittliche Forderung strenger Sühne:
»Ich bin ... der festen Überzeugung, daß jeder von uns mitkämpfen und mitsiegen und mitraten kann im obersten Kriegsrat und mitbauen an der Weltgeschichte. Wir sind keine überflüssigen Nummern, zu träger Untätigkeit verurteilt, sondern wesentliche Faktoren, auf die vieles ankommt. Die Waffe, das Schwert, das, womit wir dem Vaterland zum Sieg verhelfen, ist ernste, strenge Buße, Selbstzucht, Selbstüberwindung: Selbstheiligung42.«
In Fatima verlangt die Gottesmutter nebst der Weihe der Welt an ihr unbeflecktes Herz43, die Pius XII. 1942 vorgenommen hat44, Gebet und Opfer und Umwandlung des Lebens. So steht es klar in den Worten, die sie zu den Kindern gesproden. Einige Belege dafür:
»Wollt ihr euch Gott sienken, bereit, jedes Opfer zu bringen und jedes Leiden anzunehmen, das er euch schicken wird, als Sühne für die vielen Sünden, durch die die göttliche Majestät beleidigt wird, um die Bekehrung der Sünder ... zu erlangen und als Genugtuung für die Flüche und alle übrigen Beleidigungen, die dem unbefleckten Herzen Mariens zugefügt werden45?«
»Opfert euch für die Sünder und sagt oft, besonders aber, wenn ihr ein Opfer bringt: O Jesus, aus Liebe zu dir und für die Bekehrung der Sünder, als Genugtuung für die Beleidigungen, die dem unbefleckten Herzen Mariens zugefügt werden46.«
»Betet, betet und bringt viele Opfer für die Sünder. Denn es kommen viele in die Hölle, weil sich niemand für sie opfert und für sie betet47.«
So verstehen wir die Denk- und Sprech- und Handlungsweise der kleinen Seher. Ich füge einige Aussprüche von Jacinta bei:
»Ich denke an den Heiland und die Muttergottes, an die Sünder und an den Krieg, der kommen soll: Wie viele Menschen werden da sterben! Und so viele davon kommen in die Hölle! ... Es werden so viele Häuser zerstört werden, so viele Priester sterben ... Welche Qual! Wenn sie aufhörten, den Herrn zu beleidigen, käme dieser Krieg nicht. Sie kämen nicht in die Hölle48.« »Die Sünden der Welt sind sehr groß.«
»Die Madonna hat gesagt, daß es in der Welt viele Kriege und viel Zwietracht gibt. Die Kriege sind nichts als Strafe für die Sünden der Welt.«
»Man muß Buße tun; wenn die Menschen bereuen, wird ihnen der Heiland noch verzeihen, aber wenn sie ihr Leben nicht ändern, wird die Strafe kommen49.«
Deutlicher noch, als die Worte es können, spricht das Leben der Kinder, das die Antwort ist auf die Wünsche der Gottesmutter. Es ist ein überaus anregendes Leben des Gebetes und des Opfers bis zur Blankovollmacht und Inscriptio50.
Pius XII. hat diese treue Mitarbeit anläßlich seiner Rundfunkansprache vom 31. Oktober 1942 in die allgemein verständliche und gültige Form gegossen:
»Damit aber diese Hoffnung (daß die Gottesmutter ihr Werk in Fatima nicht unvollendet lasse) nicht vermessen sei, müssen alle im Bewußtsein der eigenen Verantwortung danach trachten, sich der einzigartigen Gunst der Jungfrau-Mutter nicht unwürdig zu maben, sondern als gute, dankbare und liebevolle Kinder immer mehr ihre auserlesene Zärtlichkeit zu verdienen. Wir müssen also den mütterlichen Rat befolgen, den sie auf der Hodhzeit zu Kana gab, indem wir alles tun, was Jesus sagt (vgl. Joh 2, 5); und er sagt allen, Buße zu tun - poenitentiam agite (Mt 4, 17) -, den Lebenswandel zu ändern und die Sünde zu fliehen, welche die Hauptursache der großen Strafen ist, mit denen die ewige Gerechtigkeit die Welt heimsucht; inmitten dieser materialistisch und heidnisch gewordenen Welt, in der alles Fleisch dem Bösen zugewendet ist (Gen 6, 12), das Salz zu sein, das vor Fäulnis bewahrt, und das Licht, das erleuchtet; die Reinheit hochzustätzen; in den Sitten die heilige Strenge des Evangeliums widerzuspiegeln und mutig und um jeden Preis - wie es die katholische Jugend in Fatima verkündete - 'als aufrichtige und überzeugte, hundertprozentige Katholiken zu leben'! Und überdies: Erfüllt von Christus, müssen wir nah und fern den Wohlgeruch Christi um uns verbreiten und durch ausdauerndes Gebet, besonders durch den täglichen Rosenkranz und durch die Opfer, die großmütiger Eifer uns eingibt, den Seelen der Sünder das Leben der Gnade und das ewige Leben zu erlangen.
Ruft also vertrauensvoll den Herrn an, und er wird euch erhören. Wendet euch an die Muttergottes, und sie wird euch antworten: Hier bin ich (vgl. Jes 58, 9). Nicht vergebens wird deshalb wachen, der die Stadt verteidigt; denn der Herr wacht mit ihm und wird sie verteidigen; und das Haus, das auf den Fundamenten einer neuen Ordnung erbaut ist, wird nicht der Sicherheit entbehren, weil der Herr es befestigen wird (vgl. Ps 127, 1 f.). Selig das Volk, dessen Herr Gott und dessen Königin die Muttergottes ist. Sie wird dafür eintreten, und Gott wird sein Volk mit Frieden, dem Inbegriff alles Guten, segnen: Dominus benedicet populo suo in pace (Ps 29, 11)51.«
Die gekennzeidmete doppelte Ähnlichkeit zwischen Fatima und Schönstatt ist also unverkennbar. Aber ebenso deutlich treten auch wesentliche Unterschiede hervor.
Wir heben für unseren Zweck nur drei hervor:
Die Erkenntnisquelle - in Fatima sind es Visionen, in Schönstatt ist es Gottes Wunsch und Wille, wie er sich in Zeit- und Weltgeschehen und im Leben kundtut.
Absicht und Gegengeschenk der Gottesmutter - in Fatima Bekehrung Rußlands und Weltfriede, in Schönstatt Welterneuerung durch das gegliederte Schönstattwerk.
Die Bestätigung der Echtheit - in Fatima durch augenscheinliche Zeichen und Wunder52, in Schönstatt durch Entwicklung und vorsehungsgläubige Deutung des gesamten Schönstattwerkes, seine innere und äußere Entfaltung.
6. Die äußere Form und Gliederung des Schönstattwerkes hat sich zunächst, wie alles bei uns, orientiert an den Wünschen Gottes, wie sie durch Zeitverhältnisse und Leben uns zugeleitet wurden ... Sodann aber auch in wachsendem Maße an den Ideen des Ehrw. Vinzenz Pallotti vom Apostolatus Catholicus, das 1835 vom Heiligen Stuhl anerkannt wurde. Beides ist aus den vorliegenden Akten, sowohl den gedruckten als den unge druditen, leicht nachweisbar. Um wenigstens ein Schriftstück anzuführen, weise ich hin auf den Brief vom 22. Mai 191653. Dort heißt es u.a.:
»Nicht nur unsere Sodalen, sondern auch Gymnasiasten und Akademiker bringen unserer Mta54 begeistertes Interesse entgegen. Ist das ein Fingerzeig unserer himmlischen Mutter, nach dieser Richtung auf die Suche zu gehen nach den Absichten der göttlichen Vorsehung und nach den gewonnenen - wenn auch noch unsicheren - Vermutungen die ganze Bewegung langsam, klug und weitsichtig zu beeinflussen und dann wieder weiter auszukundschaften? Wenn unsere Herrin durch uns die gebildete Jugend um sich sammeln wollte - ein Gedanke, zu umfassend, um gleich als durchführbar gehalten zu werden, aber auch zu schön und nach der augenblicklichen Entwicklung der Dinge nicht zu phantastisch, nicht ganz unmöglich, um schlechterdings abgewiesen zu werden. Mir schwebt eine Organisation vor - ähnlich wie unser Ehrw. Stifter die ganze Welt einteilen wollte -, die unserer studierenden Jugend einen Ersatz für die verbotenen Kongregationen bieten könnte, ein Bollwerk und Gegengewicht gegen die monistische Jugendbewegung. Träume! Freilich! Und sollten sie einmal Wirklichkeit werden, dann gehört ein Menschenalter zu ihrer klugen, zielbewußten und organisatorisch vollendeten Durchführung. Lassen wir das und bleiben wir auf der Erde. Wir wollen ja nur Werkzeuge unserer himmlischen Mutter sein. Je schwächer und armseliger das Werkzeug, desto heller leuchtet der Ruhm Mariens durch unsere Werke. Und daß unsere Patronin kraft ihrer Stellung im Reiche Gottes einen großen Anteil haben wird und muß an der religiös-sittlichen Neugestaltung der Dinge, davon überzeugen mich nicht nur theologische Erwägungen, sondern auch historische Erkenntnisse; daß sie dabei - gerade wie Gott selbst kraft göttlicher Anordnung - an menschliche Mitwirkung gebunden ist, leuchtet dem ohne weiteres ein, der die gegenwärtige Heilsökonomie einigermaßen kennt. Freilich, an bestimmte Werkzeuge ist Maria nicht gebunden, es ist eine große Gnade, von ihr erwählt, benutzt zu werden. Aber ich meine, wir Sodalen haben da ein besonderes Vorzugsrecht.«
In der Folge beeinflußte Zeit und Leben und die Idee von Vinzenz Pallotti in fortschreitendem Ausmaß den Ausbau des Werkes. 1918 entstand die Liga, die weiteren Kreisen die Mitarbeit ermöglichte. 1919, also vor 25 Jahren, wurde in Hörde die Grundform des Gesamtwerkes festgelegt, die bislang niemals geändert worden ist. Einige Jahre später wurden Bund und Liga auch für Frauen aufgemacht.
Die Generalleitung der PSM55, die aufgrund ihrer Satzungen (§ 3) das Recht dazu hat - nach Aussage der Juristen im neueren Ordens- und Kirchenrecht eine ganz seltene Ausnahme -, hat mehrfach authentisch die wesentliche Identität zwischen dem Schönstattwerk und dem Apostolatus Catholicus anerkannt, unbeschadet der Rechte des Episkopates und der ordentlichen Seelsorge.
Pius XI. nahm diese Identität zweimal zur Kenntnis und segnete unter diesem Gesichtspunkte Schönstatt: Das erstemal am Anfang seines Pontifikates bei Gelegenheit einer Privataudienz, in der Bischof Hennemann Seine Heiligkeit über Schönstatt orientierte, und das zweitemal gegen Schluß seiner Regierung bei einer Romwallfahrt und Audienz Schönstatts.
1) »Sehr gerne geben Wir den erwünschten Apostolischen Segen.
15. V. 1922 gez. Pius pp. XI. eigenhändig.«
2) »Willkommen! Ganz besonders herzliches Willkommen Ihnen, die Sie zu uns gekommen, die Sie kommen als fromme Pilger, kommen zu den Gräbern der Apostelfürsten, zu der alten, ehrwürdigen Mutter aller Kirchen, unserer römischen Kirche, zum gemeinsamen Vater der ganzen Christenheit. Willkommen und noch einmal willkommen!
Sie kommen zu Uns. Sie kommen im Namen, diesem schönen Namen: im Namen des ehrwürdigen Vinzenz Pallotti und im Namen der Dreimal Wunderbaren Mutter von Schönstatt. So, wie Wir Sie sehen, scheint es Uns, sehen Wir die ganze Gesellschaft vom Katholisten Apostolat, diese Apostolische Bewegung, diesen Apostolischen Bund, den Wir so gut kennen. Sie kommen zu Uns ins väterliche Haus, nachdem Sie die kleine, schöne Kirche von der heiligen Maria besucht haben, um Uns Ihre Treuegelöbnisse vor-(dar-)zubringen und Ihre kostbaren Vorsätze eines immer echteren, eines immer eifrigeren apostolischen Lebens.
Sie kommen zu Uns, geliebte Söhne, um den väterlichen Segen zu bekommen für Sie, für Ihre Person und für Ihre immer tiefere apostolische Bildung und vollkommenere apostolische Mithilfe.
Und in diesem Sinne wollen Wir Sie vor allem segnen. Und dann wollen wir auch segnen alles und alle, so wie Sie es wünschen; Wir meinen alle Sachen und Personen, die ein jeder in seinen Gedanken und Herzen trägt. Wir wollen alles segnen, was Sie wünschen: Ihre Familie, Verwandtschaft. Und in dieser noch so schweren Stunde wollen wir Ihnen einen ganz besonderen Segen für ganz Deutschland erteilen. Und Unser Segen, geliebte Söhne und geliebte Töchter, begleite Sie jetzt und immer!« (Am 12. IV. 1935.)
7. Die Anrufung »Dreimal Wunderbare Mutter von Schönstatt«, durch den Mund Pius' XI. geheiligt und in vielen Ländern und Sprachen gebetet, entspricht dem sensus et usus catholicus56 - auch dann, wenn man die Antwort des Himmels auf Bitten und Angebot Schönstatts nicht als genügend erwiesen anerkennen kann. Zur Erhärtung dafür weise ich darauf hin, daß - vorzüglich in südlichen Ländern - solche Titel gebräuflich sind, wenn und wo die Gottesmutter unter einem bestimmten Gesichtspunkt besonders verehrt wird, und daß entsprechende Anrufungen - wie Ablaßsammlungen zeigen - nicht selten von der Kirche mit Ablässen versehen werden.
Wer sich die Mühe nimmt, die gedrängten Darlegungen zu überdenken und zu prüfen, wird sich der Überzeugung nicht verschließen können, daß der Glaube an Schönstatt als Gnadenort und Gotteswerk auf soliden Grundlagen rubt, daß er dem sensus catholicus entspricht. Er gewinnt aber auch den Eindruck, daß die juridische Stellung des Schönstattwerkes noch einer genaueren Klärung bedarf. Der Einbau in die kirchliche Ordnung ist zwar im wesentlichen gekennzeichnet und bestimmt seit der authentischen Erklärung der Identität zwischen dem vom Heiligen Stuhl approbierten Apostolatus Catholisus und dem Schönstattwerk. Trotzdem bleiben noch die Fragen offen, die sich beziehen auf das juridische Verhältnis zum Episkopat. Praktisch haben wir sie zu lösen versucht, indem wir grundsätzlich immer in Abhängigkeit von den unmittelbaren Instanzen gearbeitet, so wie es die Hörder Satzungen verlangen (vorgekommene Fehler sind als Entgleisungen zu bezeichnen), und durch priesterliche Diözesanleiter ein Vertrauensverhältnis zum Diözesanbischof suchen. Was noch fehlt, möge die Zukunft recht bald bringen, damit wir unsere ganze Kraft in gottgefälliger Weise für das Gottesreich auf Erden verzehren können57.
P. Kentenich konstatiert das Wohlwollen der verantwortlichen kirchlichen Stellen, die Schönstatt mit einem Minimum an Rechtsgrundlage in einem willig gewährten Freiheitsspielraum die Möglichkeit zur Entfaltung gegeben haben. Jetzt, nach einem dreißigjährigen Wachstum (1914-1944), scheint ihm andererseits durch die Fülle der geschichtlichen Ereignisse eine Überprüfung auf dahinterstehende göttliche Kräfte leichter möglich und der Gewißheitsgrad stärker zu erhärten.↩
Schriftenreihe, aus deren erstem Heft »Schwebende Fragen« hier in diesem Band ein wesentlicher Teil neu abgedruckt ist (vgl. oben unter I). Der 4. Band dieser Reihe war das hier erwähnte Buch »Unter dem Schutze Mariens«, das F. Kastner zum silbernen Jubiläum der Gründung Schönstatts herausgebracht hatte (in dritter Auflage Paderborn 1941).↩
Schönstatt, Die Gründungsurkunden, Vallendar-Schönstatt 1967, S. 14 (1. GU, Nr. 7).↩
A.a.O., S. 26 f. (1. GU, Nr. 10 f.).↩
Das heißt die aus der Zeitgeschichte und speziellen Werdegeschichte herausgehörte Sprache Gottes.↩
Die Gründungsurkunden, S. 24 (1. GU, Nr. 7).↩
A.a.O., S. 24 f. (1. GU, Nr. 7 f.).↩
F. Kastner, Unter dem Schutze Mariens, Paderborn 31941, S. 288.↩
Zu einer moralischen Sicherheit.↩
Kastner, Unter dem Schutze Mariens, S. 368 f.↩
Die Grundungsurkunden, S. 45 (2. GU, Nr. 60).↩
Vgl. Unter dem Schutze Mariens, S. 335-341.↩
Die Gründungsurkunden, S. 45 f. (2. GU, Nr. 60 f.).↩
Die Stimme Gottes wird aus dem Zeitgeschehen vernehmbar.↩
Jetzt kann im gleichen Sinn das achte Kapitel der Kirchenkonstitution des II. Vatikanum angeführt werden.↩
Die Gründungsurkunden, S. 55 (2. GU, Nr. 84 f.).↩
Nr. 91.↩
Kommentar zum Lukasevangelium, IV, 49 (PL 15,1626).↩
Unser Liebesbündnis mit Gott durch die Gottesmutter.↩
Im Unterschied zu den außergewöhnlichen Gaben und Phänomenen der mystischen Gnadenordnung.↩
Nr. 93. - Vgl. Thomas von Aquin, S. th., II-II, q 83, a 5 und 6.↩
Die Gründungsurkunden, S. 53 (2. GU, Nr. 80).↩
Vgl. Monnerjahn, Häftling Nr. 29 392, S. 129 ff. und 184 ff.↩
Die Gründungsurkunden, S. 26 (1. GU, Nr. 11). - Spr 8,17.↩
A.a.O., S. 27.↩
Präsideskorrespondenz, 36, S. 145.↩
A.a.O., S. 148.↩
Fonseca, Maria spricht zur Welt, S. 459 f.↩
Vgl. S. 100, Anm. 25.↩
Die Gründungsurkunden, S. 25 (1. GU, Nr. 8).↩
A.a.O., S. 27 (Nr. 11).↩
Ebenda.↩
A.a.O., S. 34 (Nr. 24).↩
A.a.O., S. 33 (Nr. 20).↩
A.a.O., S. 33 (Nr. 20 f.).↩
A.a.O., S. 34 (Nr. 24).↩
A.a.O., S. 38 (Nr. 37).↩
A.a.O., S. 26 f. (Nr. 11).↩
Vgl. Fonseca, Maria spricht zur Welt, S. 46.↩
Die Gründungsurkunden, S. 27.↩
Kastner, Unter dem Schutze Mariens, S. 295-297.↩
A.a.O., S. 298.↩
Vgl. Fonseca, Maria spricht zur Welt, S. 46.↩
Vgl. a.a.O., S. 448-460.↩
A.a.O., S. 24.↩
A.a.O., S. 43.↩
Vgl. a.a.O., S. 62.↩
Vgl. a.a.O., S. 172.↩
A.a.0., S. 177. - Es handelt sich um drei Aussagen in Lissabon, wo sie starb.↩
Vgl. a.a.O., S. 134-185.↩
Vgl. a.a.O., S. 452 f.↩
Vgl. a.a.O., S. 93-101; 253-256.↩
Kastner, Unter dem Schutze Mariens, S. 337-341. Das folgende Zitat steht S. 338 f.↩
Gemeint ist die Zeitsehrift »Mater ter admirabilis, Gegenseitige Anregungen im Kampfe für unsere bedrohten Ideale in schwerer Zeit«, Vallendar 1916 ff.↩
P. Kentenich war bei der Gründung Schönstatts Mitglied der Gesellschaft der Pallottiner (bis 1947 »Pia Societas Missionum« - PSM), die sich auch jahrzehntelang für die neu entstandene Schönstattbewegung auf vielfache Weise einsetzte. Die ursprüngliche Vorstellung P. Kentenichs von einer Dauerverbindung zwischen Gesellschaft und Bewegung zerschlug sich: 1964 wurden die bestehenden organisatorischen Bindungen gelöst, es blieb die geistige Verbundenheit Schönstatts mit Vinzenz Pallotti und seiner ursprünglichen Idee eines apostolischen Weltverbandes (vgl. dazu auch die Einführung zu Teil III dieses Buches).↩
Katholisches Empfinden und Brauchtum.↩
Inzwischen ist die Entwicklung durch die kirchenrechtliche Anerkennung von drei Verbänden des Schönstattwerkes als Säkularinstituten und durch die Approbation des sogenannten
●Generalstatutes des Schönstattwerkes« wesentlich weiter gegangen.↩